Prinz von Preußen
»Musical aus DDR-Zeiten erobert sich die Theaterbühne und wurde vom Publikum ausgiebig gefeiert« sÄCHSISCHE ZEITUNG
»Echter Triumph mit falschem Fuffziger... Ein Fest für's Auge... Der enthusiastische Premierenapplaus, war hochverdient!« Dresdner Neueste Nachrichten
»Dem Gerhart-Hauptmann-Theater kann die Ausgrabung dieses Musicals made in GDR nicht hoch genug angerechnet werden.« musicalzentrale
»Wunderbar!« Musicals
»Mr. Link presents it in such a joyous and colorful way and with such a bubbly cast, that the show is quite irresistible.« operetta research center
Echter Triumph mit falschem Fuffziger
Seit vergangener Woche haben wir es (leider) schriftlich: Unsere Demokratie ist fragil, sehnen sich doch immer mehr Deutsche wieder nach starker Führung und autoritären Figuren. [...] Eberts Zeitgenossen dürften solche Tendenzen vertraut gewesen sein – das belegt u.a. die Geschichte vom Hochstapler Harry Domela, den es in den 1920ern als einfachen Arbeiter aus dem Baltikum erst zur Armee und später nach Berlin und Erfurt trieb, wo er als falscher Baron auftrat und obendrein noch für den Enkel des abgedankten Kaisers gehalten wurde. [...]
Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau hat den Stoff wiederentdeckt und damit am Wochenende seine unter dem Motto „Fernweh“ stehende neue Spielzeit eröffnet. Eine sehenswerte Aufführung, die eigentlich schon im vergangenen Jahr geplant war, bevor die große Flut auf die Görlitzer Bühne niederging und Intendant Daniel Morgenroth mit seinem Team abermals vor logistische Mammutaufgaben stellte.
Der enthusiastische Zittauer Premierenapplaus, den Regisseur Kay Link, Choreograph Enrico Paglialunga und Dirigent Ulrich Kern am Sonnabend nach drei Stunden Spielzeit gemeinsam mit dem Ensemble entgegennehmen durften, war hochverdient und dürfte auch die Strapazen der vergangenen Monate honoriert haben. Schicksalsprüfungen oder bleierne Schwere waren der satirischen Schnurre allerdings nicht anzuhören. Der „Prinz von Preußen“ dürfte vielleicht kein Repertoireklassiker werden, zumal er sich vor dem synkopierten Zeitalter der Goldenen 1920er mit eher braven Rhythmen verbeugt, doch ein fluffiges Unterhaltungsstück mit schönen Melodien ist er allemal.
Die großen Broadway-Vorbilder, denen Bez und Degenhardt schon mit ihrem größten Hit „Mein Freund Bunbury“ (1964) nacheiferten, bieten zwar mehr Gassenhauer, doch die hier und da auf Brecht und Kurt Weill schielende Partitur ist abwechslungsreich, der Dialogwitz des fast 50 Jahre alten, vom Regisseur behutsam aktualisierten Stücks beachtlich. [...]
Dabei ist dieser von Merlin Fargel charmant verkörperte Hallodri eigentlich die am wenigsten schillernde Gestalt im Stück, was ihn zur perfekten Projektionsfläche für ehemalige Hofschranzen und ewige Untertanen macht, die dem Kaiserreich nachtrauern. Die historische Typenparade ist glänzend gecastet, Szenenapplaus gibt es mehrfach – vor allem für Yvonne Reich als vermögende Amerikanerin, die nur den Kopf schütteln kann über die servilen Verrenkungen dieser „untrainierten Republik“, den famosen Harald Schröpfer als Hoteldirektor Strebsam (nomen est omen) und den kurzfristig eingesprungen Ireneusz Rosinski. Sein anhänglicher Kammerherr von Brosig ist dringend auf der Suche nach Kapital für sein heruntergewirtschaftetes Schloss und wird damit unwillentlich zum Gewährsmann für Domelas größtes Schelmenstück [...].
Es ist ein Fest fürs Auge, das Ausstatterin Katrin Hieronimus gemeinsam mit ihrem Team aufbietet. Das aus mehr als 20 Akteuren bestehende Ensemble trägt betörende Kostüme, die die gleiche „Was kostet die Welt?“-Attitüde verströmen wie der in Grand Hotels logierende falsche Prinz, egal ob die Berliner Halbwelt oder ein Panoptikum aus bei lebendigem Leib verwesten Adligen über die Bühne florieren. Und wenn für einen dramaturgisch folgenlosen, aber dafür umso amüsanteren Werbeblock für den Kaugummi der heftig umgarnten US-Investorin eine knallbunte Camp-Nummer der glänzend aufgelegten Tanzcompagnie gewünscht wird, dann ist an diesem Abend auch das möglich – heute lassen wir’s krachen! [...]
Von den Gags über den abhörfreudigen Hoteldirektor dürften sich die Zuschauer der DDR-Uraufführung angesprochen gefühlt haben, bei Seitenhieben auf „Lügenpresse“-Polemik und blinden Nationalismus sollten allerdings auch wir hellhörig werden.
Wo sich schöner Schein mit Takt verbindet, so formulierte es Domela in seiner Autobiographie, da entsteht „eine weiche Atmosphäre, die jeden angenehm umfängt und einschläfert“. Einschläfernd ist an der Zittauer Inszenierung jedoch nichts. Sie wickelt ihr dankbares Publikum gekonnt um den kleinen Finger.
Wieland Schwanebeck in Dresdner Neuest Nachrichten
Vom Publikum ausgiebig gefeiert
Deutschland 1929. Weltwirtschaftskrise und Goldene Zwanziger. Charleston und Inflation. Der arbeits- wie staatenlose Harry erobert sich die Welt der Reichen und Schönen. Klingt nach „Babylon Berlin“, das in vierter Staffel seit Sonntag im Ersten läuft. Doch nicht der aktuelle Film, sondern ein Musical aus DDR-Zeiten erobert sich die Theaterbühne in Zittau [...] und wurde vom Publikum ausgiebig gefeiert.[...]
Das Musical „Prinz von Preußen“ wurde 1978 in Erfurt uraufgeführt. [...] Die aktuelle Inszenierung am Gerhart-Hauptmann-Theater, wegen des Wasserschadens mit zehn Monaten Verspätung und nun in Zittau auf der Bühne, entlarvt humorvoll verbreiteten Zeitgeist nach Untergang des Kaiserreiches.
Ulrich Kern lässt mit der Neuen Lausitzer Philharmonie die Musik der Goldenen Zwanziger lebendig werden. Katrin Hieronimus hat ein praktikables Bühnenbild entworfen, das zusammen mit den schicken Kostümen ein buntes Bild vor allem der glänzenden Seiten der Zeit zeigt. Kay Link erzählt einfühlsam die Geschichte samt der dazuerfundenen Liebesbeziehung – der historische Harry war schwul – des sympathischen Hochstaplers und findet gute szenische Situationen zur Charakterisierung der Typen drumherum. Als Choreograf hat Enrico Paglialunga nicht nur die großen Tanznummern eindrucksvoll auf die Bühne gestellt, sondern auch Liedern und Ensembles einen tänzerischen Grundgestus gegeben. So entsteht ein unterhaltsames, heiteres Musical, das, anders als „Babylon Berlin“, auf sozialkritische und aktuelle Bezüge weitgehend verzichtet.
Das Stück erzählt vor allem die Liebesgeschichte. Der Hochstapler trifft auf die Mode- und Boulevard-Journalistin Lily. Beide sind in der Welt adeliger Speichellecker und unverhohlener Reaktionäre Fremdkörper. Einerseits lehnen sie sie ab, andererseits versuchen sie, von ihr zu leben. Merlin Fargel und Kara Kemeny sind gute, routinierte Musicaldarsteller, die tanzend, singend und mit charmanter Präsenz nicht nur das Gegenüber, sondern auch den Zuschauer gewinnen.
Ein zweites Paar cleverer Gauner sind Max und Mimi, die ohne Scheu und mit gewitzter Schamlosigkeit die Gutbetuchten zum eigenen Vorteil an der Nase herumführen. Marie-Luise Engel-Schottleitner und Michael Berner spielen ihre Figuren so, dass sie beim Publikum ausschließlich Sympathie ernten. Den beiden vigilanten Paaren wird auf der anderen Seite ein wildes Konglomerat an Typen gegenübergestellt. Die verdienen es nicht besser, als ausgenutzt und geschröpft zu werden. Die Inszenierung mischt die spielerischen Talente im Opernchor mit denen der Solisten, setzt sie geschickt in Szene und nutzt jede Gelegenheit, die skurrilen Seiten theaterwirksam komisch auszureizen. Ireneusz Rosinski gibt als biederer Kammerherr von Brosig eine treffliche Zielscheibe für Spott und Schadenfreude.
Yvonne Reich spielt eine burschikos-handfeste Mrs. Ellinor, die in der Neuen Welt als Kaugummi-Produzentin deutsches Krämertum hinter sich gelassen hat und vielleicht als Einzige tatsächlich produktiv ist. Eine ganz große komische Nummer bietet Harald Schröpfer als Hoteldirektor Strebsam. Wie er mit Körper und Stimme spielt und ein sicheres Gespür für publikumswirksame Komik entwickelt, ist faszinierend.
Der "Prinz von Preußen" ist „heiteres Musiktheater“ wie es in den 70ern nicht nur, aber gerade auch in der DDR erdacht wurde. Unterhaltsam, mit amüsanten Spitzen. [...]
Jens Daniel Schubert, Sächsische Zeitung
Satirischer Regieansatz
Großer Bahnhof für den Kaiser-Enkel Friedrich II. auf Burg Bruchstein. Wie Zombies wankt der verbliebene, immer noch monarchie-besessene Hochadel Thüringens in den Ahnensaal, huldigt dem angeblichen Hohenzollern-Prinzen mit schwülstiger Prosa und beschwört längst vergangene Zeiten mit einem patriotischen Lied herauf: “Im Namen der Republik: Es lebe die Monarchie!”. Als adelige Fräuleins, Oberlandesforstmeister, Kammerherren und weitere Hofschranzen brillieren die Mitglieder des Opernchores nicht nur gesanglich, sondern zeigen vor allem ihre schauspielerische Individualität. Ausstatterin Katrin Hieronimus kleidet die ewig-gestrigen Aristokraten wie aus der Mottenkiste und dekoriert dazu den Ahnensaal mit skurrilen Tierportraits, was den satirischen Regie-Ansatz unterstützt. [...]
Bestes Beispiel dafür, dass in so manchem Ensemble eines kommunalfinanzierten Theaters wahre Schätze schlummern, ist Marie-Luise Engel-Schottleitner. Als kecke Bordsteinschwalbe Mimi und Gelegenheitsfreundin des Kleinkriminellen Max (rollendeckend: Michael Berner) ist sie nicht nur eine exzellente Sängerin, sondern springt auch mühelos in den Spagat.
Angeführt wird der Cast von zwei Musical-Gästen: Kara Kemeny (alternierend: Jasmin Eberl) und Merlin Fargel (alternierend: Sascha Luder). Kemeny gibt die selbstbewusste Modejournalistin Lily, die nicht nur ihr Herz an Harry verliert, sondern seiner Hochstapelei auch auf die Schliche kommt. Im Tanz ist sie einfach eine Granate [...] In Duetten wie “Es ist so schön bei dir zu sein” harmoniert ihre Stimme perfekt mit dem sicher geführten Musical-Tenor von Merlin Fargel. Als Hochstapler und vermeintlicher Prinz von Preußen ist er ein wahres Schlitzohr und füllt als krimineller Sympathieträger die Titelrolle mühelos und mit Bravour aus.
Ein weiterer Lichtblick ist die Tanzcompagnie, deren mitreißende Auftritte, anspruchsvoll und durchaus akrobatisch choreografiert von Enrico Paglialunga, das Publikum nicht nur bei der finalen Charleston-Reprise begeistern. [...]
Dem Gerhart-Hauptmann-Theater kann die Ausgrabung dieses Musicals made in GDR nicht hoch genug angerechnet werden.
musicalzentrale.de
Irresistable Show
This perfect example of “Heiteres Musiktheater der DDR” is a new staging by Kay Link, and it offers some dazzling performances. [...] The performance I attended last Friday was completely sold out, which is surprising given the fact that it’s a mostly forgotten piece. But Mr. Link presents it in such a joyous and colorful way (with great dancing, choreographed by Enrico Paglialunga) and with such a bubbly cast, that the show is quite irresistible. [...] The sparkly orchestrations get a funky performance by conductor Ulrich Kern, with full orchestra. And everyone on stage – chorus and ballet – seems to be having great fun. Which is infectious. [...]
The fact that the Gerhart Hauptmann Theater put this on at all (dramaturgy: André Meyer) must be applauded. It’s an interesting piece worth knowing and reviving. It’s an interesting story as well, and it contains music that’s easy on the ear. Why Staatsoperette Dresden or Musikalische Komödie – as the two major houses for “Heiteres Musiktheater” in the former DDR – can’t be bothered to put anything like this on the stage remains their secret. (Staatsoperette did present an interesting exhibition and some concerts devoted to the topic of DDR musicals/operettas, there was also a symposium which, however, the artistic director didn’t attend.)
Kevin Clarke, operetta-research-center.org
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